Harninkontinenz – unwillkürlicher Urinverlust – kommt sehr häufig vor. Zwei von drei Frauen werden mit diesem Problem im Laufe ihres Lebens zumindest vorübergehend konfrontiert. Dabei ist Harninkontinenz an sich keine Diagnose, sondern ein Symptom, dem verschiedene Krankheiten zugrunde liegen können. Weil die Behandlungsmöglichkeiten entsprechend unterschiedlich ausfallen, ist es wichtig, die Ursache der Harninkontinenz zu kennen.
Belastungsinkontinenz
Als Belastungsinkontinenz bezeichnet man den unwillkürlichen Harnverlust bei körperlicher Belastung, beispielsweise beim Husten, Niesen, Lachen, Laufen oder in schwereren Fällen bereits beim Gehen. Meist hält sich die Menge in Grenzen und man bemerkt den Harnverlust nicht unmittelbar, sondern nur die Feuchtigkeit an der Wäsche. Zwar geht die Belastungsinkontinenz in der Regel nicht mit häufigem Dranggefühl einher, dennoch entleeren viele Betroffene ihre Blase oft vorbeugend, um bei auftretenden Belastungen den Harnverlust so gering wie möglich zu halten. Das Wasserlassen funktioniert dabei ganz normal.
Belastungsinkontinenz tritt vorwiegend nach den Wechseljahren bei Frauen auf, die Kinder vaginal geboren haben. Als Folge des Alterungsprozesses und der Dehnung bei vaginalen Geburten erschlafft das Beckenbodengewebe und beeinträchtigt so die Schließfunktion von Harnröhre und Beckenbodenmuskulatur. Belastungsinkontinenz geht deshalb häufig auch mit Scheiden- bzw. Gebärmuttersenkung einher.
Dranginkontinenz
Für die Betroffenen belastender ist die Dranginkontinenz: der unwillkürliche Harnverlust als Folge einer unkontrollierbaren Kontraktion der Blase. Dieser Kontraktion geht ein plötzlicher Harndrang voraus. Wird die Toilette nicht schnell genug erreicht, kommt es zum Harnverlust, schlimmstenfalls sogar zur völligen Blasenentleerung. Die betroffenen Frauen leiden meist unter häufigem Harndrang, schlafen nachts nicht durch und haben das Gefühl, die Blase nie richtig entleeren zu können. Eine (mit Antibiotika einfach zu behandelnde) Blasenentzündung verursacht ganz ähnliche Symptome.
Die Ursachen für Dranginkontinenz sind nicht so klar. Manchmal ist die nervale Steuerung der Blase durch schlecht eingestellten Diabetes oder durch neurologische Erkrankungen beeinträchtigt. Auch diese Form der Inkontinenz betrifft meist Frauen nach den Wechseljahren. Das zeigt, welch wichtige Rolle die ausreichende Versorgung mit Östrogenen in diesem Zusammenhang spielt.
Der Weg zur richtigen Diagnose
Eine genaue Beschreibung Ihrer Beschwerden ist immer der erste und wichtigste Schritt auf dem Weg zur richtigen Diagnose. Da die Blasenfunktion sehr komplex ist, verwenden wir dafür einen detaillierten Fragebogen.
Zusätzlich lassen sich über eine körperliche Untersuchung, die für Sie weitgehend wie eine gynäkologische Routineuntersuchung abläuft, wichtige Informationen über den Zustand Ihrer Beckenorgane gewinnen. Anhand einer Urinprobe lässt sich eine Blasenentzündung ausschließen.
Oft reichen diese Informationen schon aus, um die Ursache Ihrer Beschwerden einzugrenzen. In einigen Fällen ist jedoch noch die ein oder andere spezielle Untersuchung nötig, etwa eine Ultraschalluntersuchung, Blasenspiegelung oder Blasendruckmessung. Obwohl natürlich etwas unangenehm, handelt es sich dabei normalerweise um keine schmerzhaften Eingriffe.
Behandlungsmöglichkeiten
Sobald die Diagnose gestellt ist, können entsprechende Behandlungsmöglichkeiten gewählt werden. Dabei stehen Verhaltenstechniken wie Blasen- oder Beckenbodentraining an erster Stelle, da sie sich zur Therapie sowohl der Belastungs- als auch der Dranginkontinenz eignen und weder Nebenwirkungen noch irreversible Konsequenzen haben.
Die Behandlungsmöglichkeiten im Überblick:
- Absorbierende Slip-Einlagen: Sie binden Feuchtigkeit und Gerüche und sind im medizinischen Fachhandel oder in Apotheken erhältlich.
- Blasentraining: Verhaltenstechnik mit dem Ziel, die Zeit zwischen den Blasenentleerungen zu vergrößern und dabei weniger dem Drang als einem Zeitplan zu folgen.
- Beckenbodengymnastik: Das Training der Beckenbodenmuskulatur nimmt ein- bis dreimal täglich je ca. 20 Minuten in Anspruch. Die einfachste Technik heißt Kegelübungen und kommt ohne Hilfsmittel aus. Aufwändigere Methoden benutzen Vaginalkonen mit ansteigendem Gewicht oder sogar elektronische Neurostimulations- oder Bio-Feedback-Geräte.
- Medikamentöse Behandlung: Vor allem der Dranginkontinenz kann mit Medikamenten sinnvoll begegnet werden. Dabei gleichen Östrogene das Hormondefizit in der Menopause aus und Substanzen, die Einfluss auf die nervale Steuerung nehmen, dämpfen eine hyperaktive Blase. Bei der medikamentösen Behandlung können unter Umständen Nebenwirkungen auftreten.
- Botoxinjektionen in die Blasenwand: sind eine Alternative bei Patientinnen, für die eine medikamentös-orale Therapie nicht infrage kommt – z. B. wegen bestehender Vorerkrankungen (wie Herzrhythmusstörungen oder grünem Star), wegen auftretender Nebenwirkungen oder weil die Medikamente nicht ansprechen. Die Injektionen werden bei uns ambulant, evtl. auch in Lokalanästhesie verabreicht.
- Pessare oder Tampons: sind mechanische Mittel, die sich gelegentlich bei Senkungszuständen, aber auch vor oder anstelle einer Inkontinenz-Operation einsetzen lassen.
- Chirurgische Maßnahmen: Vaginale Scheidenplastik und Blasenhalsanhebung sind wirkungsvolle Maßnahmen bei Belastungsinkontinenz und Senkungszuständen. Obwohl diese Formen der Chirurgie seit Langem als sichere Verfahren etabliert sind, können in ca. 5 % aller Fälle Komplikationen wie Blasenentleerungsstörungen oder postoperative Drangbeschwerden auftreten.
- Unterspritzungen („Bulking Agents“): werden unter Lokalanästhesie in die Blasenhalsregion injiziert und können sinnvoll sein, wenn die Harnröhrenmuskulatur in einem sehr schlechten Zustand ist.
Prävention
Der Entwicklung einer Beckenbodenschwäche können Sie aktiv begegnen:
- Vermeiden Sie Übergewicht
- Lernen Sie, richtig zu heben und zu tragen
- Wenden Sie lokale oder systemische Östrogene an
- Trainieren Sie regelmäßig Ihre Beckenbodenmuskulatur